Stolpe an der Peene hat mit dem Etikett „Bilderbuch-Dorf“ kein Problem. Im Gegenteil, sie arbeiten daran, noch schöner, einladender, pittoresker zu werden. Für den aufstrebenden Tourismus im wild-romantischen Peenetal, zwischen Kummerower See und Ostsee, ist Stople ein Katalysator. Zwischen Orchideen, Bibern und Kanus hat ein Dorf seine Identität gefunden.
Mönchsfiguren, aus Kupfer getrieben und alle mit einem verschmitzten Grinsen in Gesicht, als wären sie bei einem nicht ganz so schlimmen Streich erwischt worden: das ist der Stolper „Mönchsweg“. Für die Figuren des Bildhauers Eckhard Herrmann hat Bürgermeister Marcel Falk EU-För- dergelder aufgetrieben, was selbst kein schlechter Streich zu sein scheint.
In Stolpe stand einst das älteste und mächtigste Kloster Pommerns, seit langem nur noch eine Ruine. Die kleinen Kuttenträger erinnern von Ferne an das klösterliche Leben im 12. Jahrhundert, vor allem laden sie zum Erzählen von Geschichten ein: der am Fluss ringt mit einer Nixe und seinem zölibartären Gelöbnis, der am Fährkug hebt, schon etwas linkisch, den Krug. Und vor dem Gemeindehaus, das hier „Doerphus“ heißt, hat der Mönch einen kleinen Schlitz im Ohr. Ein Detail, das Marcel Falk nicht ungern auf sich selbst bezieht.
doerphus-stolpe.de
„Eine herrschaftliche Auffahrt. Ein weitläufiger Park. Warme Lichter im Gutshaus.“ Verlockender kann man es nicht sagen, als die Webseite des Hotels „Gutshaus Stolpe“, das zur Luxuskette Relais & Chateau gehört. Das Haupthaus und viele immer noch stattliche Nebengebäude sind aufwändig restauriert, alles fügt sich in den historisierenden Glanz des Dorfes. „Ein Bilderbuchdorf“, findet Hoteldirektorin Franziska Grimm.
Der Besitzer Kurt Stürken, Jahrgang 1935, hatte die ersten zehn Jahre seines Lebens auf dem Gut verbracht, ehe die Familie floh, der Hof enteignet und zu einem VEG (Volkseigenes Gut) wurde. 1994 kaufte Stürken, inzwischen Unternehmer in Geesthacht an der Elbe, das Gut zurück. Fügt sich auch im Binnenverhältnis alles so gut wie im optischen Eindruck? „Er hat viel investiert, nicht nur in das Gut, sondern auch in die Gemeinde“, sagt Franziska Grimm, „das ist ein Geben und Nehmen.“ Zudem sei Stürken nicht irgendein Investor, sondern einer „von hier“. Im Dorf leben noch Menschen, die für Stürkens Vater gearbeitet haben. „Stürken ist ein Glücksfall für das Dorf“, sagt Bürgermeister Marcel Falk.
Touristisch ziehen Dorf und Gut ohnehin an einem Strang. Oder, in diesem speziellen Fall, an einem Blasebalg: Die alte Dorfschmiede auf dem Gutsgelände soll reaktiviert werden, wahrscheinlich wird sie 2020 mit Unterstützung von EU-Fördergeldern umgebaut. Und das Hotel, für das Hochzeits-Gesellschaften kein unwesentlicher Umsatzfaktor sind, kann dort Eheringe schmieden lassen.
gutshaus-stolpe.de
Warum jemand die Peene „Amazonas des Nordens“ nennt, wie es die Tourismuswerber der Gegend tun, ist auf den ersten Blick schwer zu erkennen. Obwohl, ein paar Ansatzpunkte gibt es: zuerst die Unzugänglichkeit. „Die Peene schützt sich selber“, sagt Frank Hennicke, Leiter des Naturparkhauses in Stolpe an der Peene. Die „tiefgründig vermoorte Niederung“ (so heißt das fachsprachlich) des Peenetals ist eines der größten Naturschutzgebiete Deutschlands, und abseits der vorgese- hen Wege kommt man nicht voran. Dann natürlich der Artenreichtum des Peenetals zwischen Kummerower See und Ostsee: Fischotter und Biber, Flussneunauge und Steinbeißer, Ostseeknabenkraut und Großer Feuerfalter.
„Wir empfehlen jedem, gleich am ersten Urlaubstag zu uns zu kommen, sagt Hennicke und meint das sehr ernst: „Die Leute wissen oft gar nicht, was sie wollen.“ In der Regel wollen sie dies, in absteigender Folge: Paddeln, Angeln, Orchideen sehen (15 Arten), Vögel, Biber und Fischotter. „Was anderswo eine Seltenheit oder ein Geheimtipp ist, gibt es hier Überfluss“, schwärmt Hennicke. Keine Bibersa- fari ohne Biber, keine Vogelschau ohne Adler. 66.000 Menschen besuchen jährlich den Naturpark, nicht wenig für eine Gegend, wo der Tourismus mit dem ersten Kanuver- leih 2003 überhaupt erst einsetzte.
Sorgen machen eigentlich nur die Hausboote, inzwischen mehr als 50. Und auch nicht an sich, sondern weil die Nutzer einen Hang zu „Remmidemmi“ (Hennicke) haben. Das mögen Biber und Adler nicht, und die meisten anderen Besucher des Peenetals auch nicht.
Das Naturparkhaus im kleinen Stolpe Zentrum. „So ein Besucherzentrum braucht Ambiente“, sagt Hennicke. Und wenn sie in Stolpe an der Peene etwas reichlich haben, dann das: Ambiente.
naturpark-flusslandschaft-peenetal.de
Die weithin bekannte Fähre über die Peene in Stolpe erfordert den ganzen Mann, jedenfalls in der Saison. Pro Überfahrt muss Fähr- mann Christian Hahn 400 bis 500 Mal die Kurbel drehen, um das handbetrie- bene Gefährt mit Personen und Fahrrädern über den Fluss zu beför- dern (oder er nimmt, weniger roman- tisch, den Motor zur Hilfe). Wenn er das gerade nicht muss – morgens, und in der Nebensaison, kümmert er sich um den Klostergarten.
Der ist ansonsten ein Gemeinschaftsprojekt des Dorfs: zweimal im Jahr trifft man sich zur „Subbotnik“, einem gemeinsamen Arbeitseinsatz zu Pflege, Neuanpflanzung und Bestaunen des Gartens. Das Grundstück hatte die
Gemeinde gekauft, um einen Spielplatz zu bauen und daneben an die klösterliche Tradition von Stolpe anzuknüpfen. Die nahen Rudimente des Benediktinerklosters aus dem 13. Jahrhundert verleihen Kräutern und Blumen eine zusätzliche Aura.