Erste Daten ausgewertet

Inzwischen sind schon über 70 Dörfer kartiert und wir haben uns daran gemacht, eine erste Auswertung zu wagen. Zwei Wochen haben wir die Exceltabelle hin und her gewälzt, Daten aufgeräumt und Diagramme erstellt. Und dann war es da: ein erster Vorgeschmack auf das „Durchschnittsdorf“ wie wir es nennen.

Es zeigt sich, dass sich die Dörfer in Mecklenburg-Vorpommern in ihrer Entwicklung stabilisiert haben und in vielen Orten bereits wieder eine leicht positive Bevölkerungsentwicklung wahrgenommen wird. Leerstand ist kein großes Problem. Für uns war besonders überraschend, dass durchschnittlich 40% der Leute nur am Wochenende auf den Dörfern sind. Unter denen, die sich im Dorf engagieren, gibt es viele Zugezogene und Raumpioniere, aber die größte der Gruppe der Engagierten bilden diejenigen, die sich als typische Dorfbewohner sehen. Interessant ist auch, wieviele Menschen sich vor Ort engagieren (ein Drittel), obwohl sie keinem Verein angehören. Wirtschaftsgrundlage ist nicht mehr nur die Landwirtschaft, sondern die Menschen schaffen sich neue (hauptberufliche) Arbeitszusammenhänge vor Ort. Und auch die Selbstversorgung spielt immer noch eine wichtige Rolle auf dem Land, wenn mehr als die Hälfte der Gärten noch zur Produktion von Obst und Gemüse genutzt werden.


Dieses erste Spielen mit den Daten ist für uns noch ein Test und die erste Feuerprobe für die Landinventur: was zeigen die Daten und wie lässt sich damit arbeiten? Wie können wir die Auswertung auf der die digitalen Plattform weiterentwickeln – über die Darstellung der Dorfebene hinaus.

Ziel der ersten Datenauswertung war auch die Vorbereitung und Durchführung eines Auswertungworkshops. Mit anderen Wissenschaftlern, Planern, Medienleuten und Bürgerwissenschaftlern einen ganzen Nachmittag diskutiert: Was lernen wir aus der Landinventur und wer kann was mit den Daten anfangen?

Einerseits hat die Landinventur Potential für andere Wissenschaftler und andererseits sind die Daten eine wichtige Bestandsaufnahme für die Gemeinden und Engagierten vor Ort. Hier ist nicht nur die Datenerhebung wichtig, sondern vor allem die gemeinsame Diskussion der Ergebnisse und die neuen Perspektiven, die sich daraus ergeben. Hierfür werden wir ein konkretes Veranstaltungsformat entwickeln, was wir bald schon in Eixen und Rothen ausprobieren werden.

Was wir außerdem weiterverfolgen:

  • Integration anderer bereits vorhandener Datensätze
  • Ergänzungsmöglichkeiten für weitere Fragen/Themenblöcke
  • Grafische Auswertung auf Kartenebene und im Vergleich verschiedener Dörfer
  • eine Datenstrategie zu entwickeln (OpenData)
  • die Ausweitung auf weitere Bundesländer (und vielleicht sogar Europa?)
  • stärken der politischen Botschaft der Landinventur

Gefreut haben wir uns über das positive Feedback zur Landinventur, was die grafische Qualität und Nutzerfreundlichkeit der Plattform angeht. Außerdem scheint die Landinventur ein Vorreiterprojekt in den sozialwissenschaftlichen Citizen Science Projekten zu sein.

Die Landinventur zu Gast im Staatlichen Museum Schwerin

Am 5. Juli wurde die Sonderausstellung „Von Barbizon bis ans Meer. Carl Malchin und die Entdeckung Mecklenburgs“ eröffnet. Malchin (1838–1923) war einer der ersten Maler, welcher die „Freiluftmalerei“ der französischen Schule von Barbizon nach Deutschland gebracht hat. Statt im Atelier seine Ölgemälde zu fertigen, ist er in den Dörfern Mecklenburgs unterwegs gewesen. Das besondere ist, dass er keine „Postkarten“-Motive gewählt hat, sondern das ganz alltägliche Leben auf dem Land zeigt, die Kargheit der Bauernstuben, den Schuster und die Arbeit auf dem Feld. Damit hat er etwas ganz Ähnliches versucht, wie die Landinventur heute: das Leben auf dem Land im 19. Jahrhundert realitätsnah abzubilden.

Carl Malchin. Bauerndiele in Wittenförde, 1872
Carl Malchin. Torfbrücke, 1901

Das Bild des Dorfes nach dem Regen in der Dämmerung, mit matschiger Straße und den Leuten, die noch schnell das Feuerholz für die Nacht nach drinnen bringen, gehört zu den eindrucksvollen Zeugnissen dieses neuen Realismus.

Carl Malchin. Dorfstrasse 1881

Die Landinventur ist mit dem selben Ziel, aber einer anderen Herangehensweise angetreten. Statt Ölmalerei haben wir eine digitale Plattform entwickelt, auf der die Leute das Leben auf ihrem Dorf anhand eines umfangreichen Fragebogens in den vier Themengebieten Leben, Wirtschaften, Ernten und Engagement beschreiben können. Durch diese Verbindung wurden wir vom Kurator Dr. Tobias Pfeifer-Helke eingeladen, Teil der Ausstellung zu werden und die Brücke ins Heute zu schlagen.

An einem Arbeitstisch gibt es eine Karte mit (fast) allen Dorfnahmen in Mecklenburg-Vorpommern, welche zeigt, wie viele Orte das Leben in diesem Bundesland prägen. Außerdem kann an Tablets die Landinventur auch direkt durchgeführt werden.

Am 26.9.2019 werden wir in der Veranstaltungsreihe „Rendezvous“ des Staatlichen Museums über die Landinventur und die Vielfalt der Dörfer heute berichten.

Die Neuvermessung der Dörfer beginnt

Der offizielle Auftakt der digitalen Plattform wurde mit der LandinvenTOUR begangen. Wir waren dazu wieder unterwegs in Mecklenburg-Vorpommern.

In Stolpe an der Peene haben wir unseren ersten Regionalpartner Frank Götz-Schlingmann getroffen und mit dem Bürgermeister Marcel Falk die Bestandsaufnahme für sein Dorf gemacht. Beide waren begeistert von der Landinventur und den Möglichkeiten, damit ihre Region weiterzuentwickeln. „Mit der Landinventur kann ich gemeinsam mit den Bewohern und Bewohnerinnen der Orte feststellen: Wo stehen wir und wo wollen wir hin. Und das nicht nur für die Gemeinde, sondern für wirklich jedes Dorf.“ Sagte Marcel Falk auch gegenüber Mathias Dieckhoff, der beim Nordkurier einen wunderbaren Artikel über „Die Neuvermessung des Landlebens im 21. Jahrhundert“ geschrieben hat.

Am Wochenende war das Team der Landinventur bei der Eröffnung von KunstOffen in Jarmen präsent. Direkt am Eingang der St.-Marien-Kirche, wo die zentrale Ausstellung stattfindet, sind wir mit den Besucher*innen ins Gespräch gekommen und konnten einige davon überzeugen, die Landinventur für ihr Dorf durchzuführen. Auch der Staatssekretär für Vorpommern Patrick Dahlemann, hat uns seine Unterstützung zugesagt.

Nach Rosenow wurden wir vom Bürgermeister Norbert Stettin eingeladen und haben dort mit einer Gruppe von 15 interessierten Bewohner*innen die Landinventur für Rosenow als Hauptort der Gemeinde gemacht. Auch die anderen Ortsteile der Gemeinde sollen bald kartiert werden.

Der Höhepunkt war das Vorsicht! Lösungen Festival des Allerhand Vereins in Qualitz. Dieses Jahr war es nicht nur der Gastgeber für das OPEN Neuland Format der Robert Bosch Stiftung, sondern auch ein perfekter Rahmen für den offiziellen Launch der Plattform. Nikolas Voss, Staatssekretär im Ministerium für Soziales, Integration und Gleichstellung zeigte sich von der Landinventur begeistert und regte an, sie als Werkzeug für die Raumkategorie der sogenannten Ländlichen Gestaltungsräume einzusetzen. Auch viele Besucher*innen aus der Region haben sich die Zeit genommen, die Inventur für ihren Ort zu machen, sodass wir inzwischen bereits über 20 kartierte Dörfer haben.

Nachdem auf www.landinventur.de nun auch jede*r selbst sein Dorf kartieren kann, widmen wir uns wieder der analogen Welt und den Vorbereitungen für die Ausstellung im Staatlichen Museum in Schwerin. Dort sind wir ab dem 5. Juli Teil der Ausstellung „Von Barbizon bis ans Meer. Carl Malchin und die Entdeckung Mecklenburgs.“

Letzter Feinschliff für die digitale Landinventur

Die Testphase der digitalen Landinventur-Plattform geht in die finale Phase! Der Prototyp der Anwendung ist fertig und braucht das kritische Feedback möglichst vieler Nutzer*innen. Deshalb haben wir uns noch einmal ins freie Feld begeben, um Lob und Kritik bei der Nutzung unserer Anwendung direkt besprechen und dokumentieren zu können. Letzte Feinheiten werden nun geschärft und Unklarheiten bei der Bedienung aufgelöst.

Hier könnt auch Ihr die Landinventur für euer Dorf durchführen. Die darin eingetragenen Daten fließen bereits in die große, öffentliche Landinventur ein, die im Sommer startet. Euer Dorf gehört also zu den ersten auf der großen Landkarte! Falls ihr nicht weiterkommt, gibt es rechts oben auf jeder Seite ein kleines Fragezeichen hinter dem sich Hilfestellungen verbergen. Direkt daneben findet ihr einen Feedback-Button, über den Ihr uns Eure Anmerkungen zur jeweiligen Seite zukommen lassen könnt. Über jede Art von Lob und Kritik freuen wir uns!

http://beta.blog.landinventur.de

Die Landinventur auf der Internationalen Grünen Woche

Die Landinventur war zu Gast auf der Internationalen Grünen Woche in Berlin. Unter dem Pavillon des „Neuland gewinnen e.V.“ durfte sich die Landinventur einen Tag lang vorstellen. Pünktlich zur Messe, konnten wir eine frühe Vorabversion der Plattform mitbringen um diese, mit Tablets ausgerüstet, das erste Mal mobil zu erproben. Die Gelegenheit wurde genutzt, um den frühen Prototypen der digitalen Plattform von mecklenburgischen Besuchern testen zu lassen.

Zwischen Hochbeeten und Politiker*Innen konnten so erste spannenden Resonanzen zur digitalen Inventur eingefangen werden. Zur Weiterentwicklung der Plattform, wurden wertvolle Erkenntnisse zum flüssigen Umgang mit der Plattform gewonnen. Interessierte hatten aber auch im Gespräch die Möglichkeit sich über das Projekt zu informieren und über den weiteren Projektverlauf auszutauschen.

Wir freuen uns den weiterentwickelten Prototyp bald mit euch final testen zu können. Im Sommer geht es dann los mit der großen öffentlichen Inventur, die für alle Dörfer Mecklenburg-Vorpommerns freigeschaltet wird.

Kriegspferde, Tourismus und Wachstumsgrenzen

Den Abschluss der fünftägigen Oktober-Tour bildete Perlin ganz im Südwesten des Landes. Die Struktur des Dorfes ist sehr divers. Viele der Häuser stammen aus DDR-Zeiten, einige Gebäude im Ortskern sind deutlich älter und verweisen auf die Vergangenheit des Ortes als Gutsdorf. Absolute Besonderheit sind die über zehn Remontehöfe aus den Jahren 1937 bis 1945. Diese Höfe wurden eigens eingerichtet, um Nachwuchspferde für den Krieg bereit zu stellen.

Perlin liegt in unmittelbarer Nähe zum Dümmersee und verdoppelt mit der dort liegenden Ferienhaussiedlung und dem Campingplatz seine Einwohnerzahl im Sommer. Bauland im Dorf ist stark nachgefragt, die Ausweisung weiterer Bauflächen bislang aber nicht möglich. Die Gemeinde Perlin erlangte jüngst große Berühmtheit, als sie sich gegen die Kreisumlage zur Wehr setzte und den Prozess gewann.

Das Dorf scheint sehr aktiv und bemüht, fühlt sich aber in mancherlei Hinsicht nicht ausreichend handlungsfähig, z. B. wenn es um den Ausbau touristischer Infrastruktur oder die Einhaltung von Auflagen zum Trinkwasserschutz geht.

Die längste Dorfstraße Mecklenburgs

Mit seinen fast 500 Einwohner*innen ist Bernitt das bislang größte Dorf der Landinventur. Vor dem Dorfladen mit Gemeindezentrum, neuem Holzspielplatz und bald auch einem Jugendclub war den ganzen Tag viel los. Hier stand dann auch die mobile Forschungsstation – bereit für die Bernittinventur. Erste Feststellung: In einem Dorf dieser Größe ist es deutlich schwieriger, die Fragebögen der Landinventur präzise auszufüllen. Da braucht es schon die Unterstützung der Bürgermeisterin, die genau Bescheid weiß. Interessant für uns war, dass selbst die Bürgermeisterin keine Einsicht in die amtlichen Einwohnerzahlen oder den Bevölkerungswandel der Ortsteile ihrer Gemeinde hat. Die Beschreibung der Einwohnerschaft konnte demnach auch nur eine grobe Schätzung sein. Auffällig ist Bernitt im Bereich Wirtschaft. Es gibt einige Betriebe im Dorf, davon allein fünf Landwirtschaftsbetriebe. Hier haben wir gelernt, dass die Zuordnung der Betriebe zu ordnenden Kategorien nicht so einfach ist. Der Dorfladen ist nicht allein dem Bereich Handel zuzuordnen, sondern ist mit der integrierten Poststelle und seinem Cateringangebot auch Dienstleister. Ähnlich spannend war die Erkenntnis, dass alle Haushalte, die über private Solaranlagen ins öffentliche Netz einspeisen in der Gewerbetreibendenliste geführt werden und damit streng genommen Betriebe darstellen. Außerdem wurde an der Ferkelaufzuchtanlage im Dorf deutlich, dass auch Landwirtschaft nicht so leicht erkennbar ist: In der Anlage werden Jungferkel bis zu einem bestimmten alter aufgezogen und lebend weiter verkauft. Damit betreibt der Betrieb rechtlich gesehen keine Landwirtschaft.

Manderow

Manderow, ein kleines Gutsherrendorf im Norden, beinahe in Sichtweite zur Ostseee, war am 8. Oktober Station der Landinventur. Das alte Gutshaus, das das bauliche Rückgrat des Dorfs bildet, fand Anfang des Jahres neue Besitzer, die nun ein neues, kultur-touristisches Konzept für das Gebäude erarbeiten. Viele der historischen Bausubstanz im ganzen Dorf, die zur Gutsanlage gehörte, ging in den Nachwendejahren verloren. Veranstaltungen und gemeinschaftliche Aktivitäten sind über die Jahre eingeschlafen und beginnen nun zaghaft wieder mit der Instandsetzung des großen Gutshauses oder im ehemaligen Schweinemastbetrieb, der in einen Ferienreiterhof umgebaut wurde. Mit einer kleinen Gruppe aus Alteingesessenen und Zuzügler*innen haben wir für Manderow eine erste Inventur durchgeführt. Interessant war die große Anzahl von Kleingärtner*innen, die die Einwohnerzahl über die Sommermonate deutlich erhöhen. Die Frage „Wer lebt in Manderow?“ zeigte hier noch einmal ihre Relevanz. Zählen die Datschen dazu? Wie sieht es mit den Menschen aus Hamburg aus, die hier ein Wochenendhaus oder andere Unterkünfte haben? Diese Frage wurde von den Anwesenden nicht für alle der unregelmäßigen Bewohner*innen gleich beantwortet.

Ein kurzer Rückblick

Großer Andrang am Stand der Landinventur (Quelle: Senckenberg)

Schon zum dritten Mal luden “Wissenschaft im Dialog”, das Museum für Naturkunde Berlin und die “Senckenberg World of Biodiversity” im September zum “Forum Citizen Science” ein. Diesmal in Frankfurt am Main und wir waren auch vertreten. Mit der mobilen Forschungsstation haben wir die Teilnehmenden des Forums mit in unsere Forschung nach Mecklenburg-Vorpommern genommen und gleichzeitig von anderen Citizen Science Projekten gelernt, wie man Herausforderungen meistert. Die Landinventur wurde mit großem Interesse wahrgenommen. Sowohl die lebensweltliche Betrachtung ländlicher Räume, als auch der Einbezug der Bewohner*innen wurden gelobt. So verbrachte auch eine Delegation des BMBF (dem Projektförderer der Landinventur) einige Zeit an unserem Stand, um mehr über unsere Arbeit in Mecklenburg-Vorpommern zu erfahren und neue Denkanstöße zu liefern. Wir bedanken uns herzlich beim Forum Citizen Science für die Möglichkeit an diesem Tag teilnehmen zu können. Mehr Infos zum Forum findet ihr hier.

Die Delegation des BMBF mit Graf von Kielmansegg (2. v.r.) am Stand der Landinventur (Quelle: Senckenberg)

Wer kann die Inventur wie nutzen?

Das kleine Hohenbüssow begrüßte uns am 5. Oktober. Die Rolle von Kindern und Künstler*innen war hier ein zentrales Thema. Denn die vielen Stunden, die etwa für das selbständige renovieren des eignen Hauses, für künstlerisches Schaffen oder Kinderbetreuung aufgebracht werden, sind nirgendwo aufgezeichnet. Gerade sie können aber eine große Wirkung auf das Dorf haben.

Wer aber kann unsere Ergebnisse nutzen? Sind Privatsphäre und Anonymität gesichert? Denn es gibt Dörfer und Dorfbewohner*innen, die zwar an der Landinventur teilnehmen möchten, aber Sorge haben, die Ergebnisse könnten für unerwünschte Zwecke, etwa von Spekulant*innen oder klagefreudigen Anwält*innen genutzt werden. Dies nicht zuzulassen, ist auch uns ein großes Anliegen. Deswegen waren diese Fragen und mögliche Wege damit umzugehen ein wichtiges Diskussionsthema mit den Teilnehmenden.

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