Unter diesem Titel findet ihr einen Artikel zur Landinventur in der brandneuen Ausgabe der Zeitschrift “Ländlicher Raum” – herausgegeben von der Agrarsozialen Gesellschaft e.V.. Mit vielen spannenden Beiträgen widmet sich das Heft diesmal dem Thema Dorf- und Regionalentwicklung. Uns findet ihr ab Seite 10. Die Zeitschrift kann man hier kostenlos lesen oder hier bestellen.
Autor: Landinventur Team
Nächste Stationen
Diese Woche fahren wir wieder mit unserer mobilen Forschungsstation los und besuchen fünf Dörfer im ganzen Bundesland. Donnerstag sind wir zuerst in Bröllin, einem sehr kleinen Dorf mit großem Schloss und vielen Künstler*innen in der Nähe von Pasewalk. Am Freitag testen wir dann die Landinventur in Hohenbüssow. Hier setzt sich eine Gruppe von Leuten intensiv mit Selbstversorgung auseinander und vernetzt sich dazu mit anderen in der Region.
Am Montag geht es dann nach Manderow. In dem küstennahen Dorf soll das alte Landgut wieder zum Leben erwachen. Dienstag versammelt sich eine Gruppe von Leuten in Bernitt – dem bislang größten Dorf auf unseren Reisen. Wir sind gespannt, ob sich die längste Dorfstraße Mecklenburg-Vorpommerns kartieren lässt. Zum Ende dieser Tour fahren wir am Mittwoch nach Perlin ganz im Westen des Bundeslands, bevor die Erkenntnisse aus diesen fünf Dörfern in die Programmierung unserer Landinventur Webanwendung einfließen. Wenn ihr in der Nähe seid, kommt vorbei.
Wer wirtschaftet in Gatschow?
Gatschow befindet sich in der Mitte Mecklenburg-Vorpommerns. Das Dorf liegt in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem kleinen Naturschutzgebiet. Auf den ersten Blick ist das Dorf sehr unauffällig. Es gibt keine klassischen Wirtschaftsbetriebe, keine Kirche, keine freiwillige Feuerwehr, kein deutliches Zentrum, aber dennoch ist das Dorf sehr aktiv. Bei unserem Landinventurbesuch am 7. September haben wir darüber mit einer motivierten und sehr durchmischten Gruppe aus Allteingesessenen und Zuzüglern – konventionell wirtschaftenden und alternativ denkenden Menschen gesprochen. Folgendes haben wir herausgefunden: obwohl das Dorf in herkömmlichen Kategorien von infrastruktureller Versorgung, Vereinskultur oder ökonomischen Faktoren kaum zu erfassen ist, hat Gatschow große Qualitäten, die bislang kaum wahrgenommen werden. Engagement und gute Nachbarschaft machen sich nämlich nicht an formellen Strukturen fest, sondern haben ganz viel mit der persönlichen Motivation von Einzelpersonen zu tun. Das stellt uns in der Landinventur vor die Herausforderung, wie man Nachbarschaftshilfe und informelle, dorfgemeinschaftliche Organisation erheben kann. Außerdem merken wir in einem solchen Dorf, dass die Ansprüche an die Erhebungskriterien sehr hoch sind, damit sowohl ein kleines Dorf wie Gatschow als auch ein großes gewerbestarkes Dorf gleichberechtigt dargestellt werden kann?
Zu Gast In Halle und Erfurt
Die Landinventur ist heute und morgen auf dem Trafo Ideen Kongress in Halle zu Gast. Wer mehr wissen will, sollte nach unserer mobilen Forschungsstation Ausschau halten.
Am Donnerstag und Freitag sind wir auf dem Festival der Zivilgesellschaft der Robert Bosch Stiftung in Erfurt zu sehen.
Wie verlässlich sind unsere Daten?
Die bisher besucherstärkste Landinventur fand am 31. August in Witzin statt. Das Dorf, das an der B104 liegt, birgt viele tolle Projekte der aktiven Dorfgemeinschaft. Bürgermeister Hüller führte uns in einem Spaziergang durch das Dorf und zeigte uns die vielen versteckten Seiten Witzins. Im Anschluss an die für diesen Abend einberufene Bürgerversammlung machten sich die 22 Teilnehmenden an die Landinventur für ihr Dorf.
In der großen Inventurgruppe, konnten wir zum ersten Mal überprüfen, wie verlässlich die Erhebungen von Einzelpersonen sind, da jeder Fragebogen immer von mehreren Personen ausgefüllt wurde. Für die digitale Landinventur ab nächstem Jahr sind das wichtige Erkenntnisse, auf die wir in der Programmierung der Website reagieren können.
Im Anschluss an die gemeinsame Arbeit gab es Bratwurst und Bier für alle vor den Toren der Freiwilligen Feuerwehr.
Wer feiert in Wangelin?
Trotz kalter Luft und regnerischem Wetter fand sich am Morgen des 30. August eine kleine Gruppe Wangeliner*innen im Lehmhaus des Wangeliner Gartens zusammen, um mit uns eine kleine Inventur für ihr Dorf durchzuführen. Vor allem das Thema Engagement sollte im Mittelpunkt stehen. Das kleine Dorf lebt von sehr starkem, ehrenamtlichen Engagement ‒ vermutlich ist es kein Zufall, dass hier auch der Engagement-Botschafter Klaus Hirrich zuhause ist. Neben einer Vielzahl von Aktivitäten, die sich um den Wangeliner Garten, das Lehmhaus und das Gartencafé konzentrieren, findet man in Wangelin eine sehr lebendige Dorfgemeinschaft, die sich zu gemeinsamen Kinoabenden in der Scheune oder regelmäßigen Arbeitseinsätzen trifft. Die große Vielfalt des Engagements und der Aktivitäten konnten unsere Fragebögen kaum aufnehmen. Die gut vernetzte Dorfgemeinschaft zeigte sich dann auch im Wissen über die anderen Dorfbewohner*innen. Wer hat selbst Brennholz, wer erntet selbst? ‒ diese Fragen waren schnell beantwortet. Wir danken allen Teilnehmenden für Ihre wichtigen Beiträge. Wir haben viel dazugelernt in Wangelin und freuen uns schon auf ein weiteres Zusammentreffen.
Wer lebt eigentlich in Qualitz?
Vom 8. bis 10. Juni haben wir beim wunderbaren Festival Vorsicht!Lösungen des Allerhand e.V. in Qualitz Station gemacht. Wir wollten herausfinden: Wer lebt eigentlich in Qualitz? – so einfach diese Frage klingt, so schwierig ist die Antwort. Aus der Einwohnermeldestatistik wussten wir, dass ca. 250 Menschen im Dorf amtlich gemeldet sind. In den Diskussionen vor Ort merkten wir schnell, wie wenig uns diese Zahl alleine über Qualitz verrät. Deswegen erschien es uns wichtig aufzudecken, wie oft und in welchen Zeitspannen die Menschen hier anwesend sind, in welcher Lebenssituation sie sich befinden und wie sie das ihnen zur Verfügung stehende Grundstück oder Land nutzen.
Gemeinsam mit Bewohner*innen und Gästen haben wir diese Fragen zwei Tage lang diskutiert und überlegt, auf welche Art man das am besten erheben kann, wie man das für ein ganzes Dorf darstellt und wie man beispielsweise Kategorien zur Lebenssituation noch erweitern muss.
Mitgenommen haben wir, dass man Daten zur Landnutzung nur mit tiefen Einblicken in die örtliche Lebenswelt erheben kann. Auch sind die Kategorien für Lebenssituationen wesentlich vielfältiger als wir zunächst angenommen hatten. Die Anwesenheit der Menschen lässt sich nur schwer im Dorfbild ablesen.
Mit diesen Hinweisen und Denkanstößen arbeiten wir jetzt weiter und kommen den Unschärfen und Problemen in unseren Überlegungen auf die Schliche. Wir sind schon sehr gespannt, diese Erkenntnisse im nächsten Dorf mit euch weiterzuspinnen.
Wir bedanken uns ganz herzlich beim Allerhand e.V. und allen Menschen, die mit uns an diesem Tag zusammengearbeitet haben, um die Landinventur ein kleines Stück voranzubringen. Auf bald in Mecklenburg-Vorpommern.
Wir sind unterwegs…
Mit unserer mobilen Forschungsstation sind wir von nun an unterwegs quer durch Mecklenburg-Vorpommern. Dabei begleiten uns drei große Fragen:
Wer wohnt eigentlich in den Dörfern?
Wer arbeitet in den Dörfern?
Wer feiert und engagiert sich in den Dörfern?
Drei Fragen, die einfach klingen, aber auf vielfältigste Weise beantwortet werden können. Wir möchten diese über den Sommer gemeinsam mit euch vertiefen, weiterentwickeln und Antworten für eure Dörfer finden. Gemeinsam entwickeln wir die Inhalte und proben die Formate für die große Landinventur im nächsten Jahr. Unsere nächste Station ist Loitz. Am Samstag den 30. Juni findet ihr uns dort auf dem Zukunftsstadtfest. Von 11 bis 16 Uhr stehen wir mit unserer mobilen Forschungsstation auf dem Marktplatz und möchten mit euch der Frage näher kommen “Wer wirtschaftet auf dem Dorf?”. Kommt vorbei und diskutiert mit uns!
Ihr möchtet mit uns in eurem Dorf diskutieren? Dann sprecht uns über unser Kontaktformular an und wir versuchen einen Termin bei euch im Dorf zu finden, um zusammen daran zu arbeiten.
Auftaktworkshop in Diemitz
Der Startschuss ist gefallen! Am Freitag den 4. Mai wagte das Projekt Landinventur zum ersten Mal den Schritt in die Öffentlichkeit, um sich in kollektiver Raumbeobachtung zu üben und Ziele für das Projekt zu definieren. Auf dem Landurlaub Biohof in Diemitz, umringt von Pferdekoppeln, Ziegen und Schweinen, wurden die ersten Erkenntnisse und methodischen Ansätze für die Inventur einer Gruppe von rund 30 Expert*innen aus unterschiedlichen Bereichen vorgestellt.
So waren beispielsweise Forschende aus den Universitäten Mecklenburg-Vorpommerns oder Expert*Innen für Citizen Science vertreten, Landwissenschaftler*innen und Landwirte, Aktive aus lokalen Vereinen, Dorfbürgermeister*innen, Expert*innen für Kartierung und Verwaltungsangestellte.
Begonnen wurde mit der Vorstellung der Matrix der Narrative, einer deskriptiven Verbildlichung gängiger Erzählperspektiven über den ländlichen Raum. Anhand der Matrix wurde die stark unterrepräsentierte Darstellung des ländlichen Lebens auf statistisch-kleinmaßstäblicher Ebene deutlich: der Ausgangspunkt der Landinventur. Die geladenen Expert*innen ergänzten die Matrix durch eigene Sichtweisen auf ländliche Räume – wobei sich auch schon erste Beiträge im Bereich der neu zu erfassenden Ebene bewegten.
Nach dem Mittagessen ging es in Kleingruppen an eine erste Kartierung für Diemitz. Bei strahlendem Sonnenschein machten sich die Teilnehmenden auf, um passende Elemente zu finden, die Diemitz beschreiben können. Von der unterschiedlichen Ausprägung der Gartenzäune, über Gottesdienstzeiten, hin zu leerstehenden Immobilien und Zugängen zum See wurde alles erfasst.
Anschließend wurden die Ergebnisse im Plenum vorgestellt und deren Aussagekraft diskutiert. An der Frage „Wer wohnt eigentlich im Dorf?“ wurde schnell klar, dass die Antwort nicht einfach numerisch erfolgen kann. Ist die Meldestatistik eine verlässliche Quelle oder geht es darum, wie sehr sich eine Person in die Dorfgemeinschaft einbringt? Zählt man Menschen mit Zweitwohnsitz auch zu den Einwohner*innen und wie sieht es mit Berufspendler*innen aus? Ebenso haben wir wichtige Erkenntnisse über die praktische Durchführung der Inventur gewonnen: Etwa die Bedeutung der Tageszeit und des Wochentages der Erhebung, die die Ergebnisse der Inventur deutlich beeinflussen können.
Im Folgenden glich man die Beobachtungen der Expert*innen aus der Kartierung mit dem vom Projekt-Team vorbereiteten Katalog der Indizien ab, ergänzte diesen um neue Größen und speiste die erfassten Indizien in eine eigens für Diemitz erstellte Matrix ein. Dabei wurden grundsätzlich Unschärfen des Projektes thematisiert und vermeintliche Schärfen auf die Probe gestellt, die methodische Vorgehensweise hinterfragt und neu begründet. Die Frage nach der eigenen Rolle innerhalb des Projektes und der Rolle der Bürgerwissenschaftler*innen und deren Interessen wurde laut und gemeinsam mit den Expert*innen kritisch abgeklopft, womit letztendlich auch die Anforderungen und Ansprüche des Projektes Landinventur in der Diskussion geschärft werden konnten.
Wir bedanken uns bei allen Teilnehmenden, die mit uns die Landinventur auf den Weg gebracht haben – eure Bereitschaft, euer Interesse und euer wertvoller Input war eine große Bereicherung für uns! Wir freuen uns auf spannende Zeiten mit euch und noch mehr Interessierten, die Lust haben die Landinventur mit uns durchzuführen.